Machen wir das!

Bei den Nationalratswahlen 2017 sind, dank der bundesweit starken städtischen Ergebnisse, die seit Jahren befürchteten Verluste der SPÖ nicht eingetreten, ÖVP und FPÖ konnten mit deutlichen Zugewinnen jedoch eine klare Mehrheit erzielen. Diese Mehrheit nutzen sie, um ihr gemeinsames politisches Programm brutal durchzusetzen: Die Abschaffung der Aktion 20.000 und der Notstandshilfe, der angekündigte 12-Stunden-Tag und die Schwächung der Kollektivvertragsparteien, die angedrohte finanzielle Aushungerung der Arbeiterkammern, Studiengebühren, der Kahlschlag im Mietrecht zu Gunsten der großen Immobilienhaie und die steuerlichen Maßnahmen, die v.a. Besserverdienern zu Gute kommen – all diese Maßnahmen versuchen ÖVP und FPÖ hinter einer mit größter Bösartigkeit und Menschenverachtung betriebenen Spaltung der Gesellschaft zu verbergen.

Die angekündigten Verschärfungen im Asylrecht, die „konzentrierte“ Unterbringung von Asylwerbern in Großquartieren, die Kürzung der Familienbeihilfe für slowakische Pflegekräfte bei gleichzeitiger Erhöhung der Familienbeihilfe für Schweizer Manager usw. – mit diesen menschenfeindlichen Maßnahmen wollen ÖVP und FPÖ ihre Vernebelungsstrategie aus dem Wahlkampf fortsetzen.

Sie wollen den vielfach berechtigten Ärger vieler Menschen über die wachsende Unsicherheit – steigende Wohnkosten, wachsender Arbeitsdruck, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, fehlender Respekt vor den Arbeits- und Lebensleistungen der ArbeitnehmerInnen – auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft richten, um von den wahren Ursachen abzulenken: einem völlig aus dem Ruder geratenen Krisen-Kapitalismus, der die wirtschaftliche Entwicklung hemmt, die Gesellschaft spaltet und unsere Umwelt zerstört.

Die Sozialdemokratie steht in weiten teilen Europas der ökonomisch und politisch vorangetriebenen Spaltung der Gesellschaft vielfach ratlos gegenüber. Sie hat spätestens seit Ende der 1990er-Jahre nur noch versucht, den neoliberalen Umbau der Gesellschaft abzufedern und zu moderieren, in vielen Ländern durch Privatisierungen, Ausgliederung, Sparpolitik und Arbeitsmarktreformen sogar aktiv vorangetrieben („Hartz IV“). Teile der Sozialdemokratie befürworten es, den scharfen Rechtskurs in Asyl- und Sicherheitsfragen nachzuvollziehen und behaupten, damit „Flanken zu schließen“. Die Wahlergebnisse sprechen eine andere Sprache: Keine Landesorganisation hat etwa so schwere Verluste erlitten wie die SPÖ Burgenland, in der Hans-Peter Doskozil als Spitzenkandidat einen ganz nach seinen Vorstellungen entwickelten eigenständigen Wahlkampf geführt hat.
Europaweit gibt es derzeit nur zwei wirklich erfolgreiche sozialdemokratische Parteien: Portugals SozialistInnen haben in einem Bündnis mit KommunistInnen und Linksparteien die harte EU-Sparpolitik beendet und werden dafür bei Wahlen belohnt. Besonders bemerkenswert ist aber die Entwicklung der britischen Labour Party: Unter Jeremy Corbyn hat die Partei in den letzten zwei Jahren hunderttausende neue Mitglieder gewonnen und ist heute die mitglieder- und stimmenstärkste sozialdemokratische Partei Europas. Mit einem klaren sozialdemokratischen Programm und ohne Zugeständnis an die rechtspopulistischen Hetzer hat sie, gegen die geballte Medienmacht der hasserfüllten britischen Boulevardblätter, im Juni 2017 die Mandatsmehrheit der konservativen Regierung gebrochen. Mit der Aktivierung zehntausender Menschen, die vor Ort an einer Politik für die Vielen, nicht die Wenigen arbeiten und mit einem authentischen und geradlinigen Parteichef, der von einer Massenbewegung getragen wird, treibt Labour die Regierung von Theresa May vor sich her.

Aus dieser Erfahrung gilt es auch als SPÖ zu lernen. Die Sozialdemokratie muss darauf setzen, mit ihren zehntausenden bestehenden und zehntausenden neuen Mitgliedern wieder eine Bewegung zu werden, die sich nicht den täglichen Launen des Boulevards unterwirft, sondern die die Träume und Hoffnungen der breiten Mehrheit der Menschen realisierbar macht; Eine Bewegung, die von den Menschen selbst getragen wird und sich nicht als Teil der herrschenden Eliten begreift oder gesehen wird; Eine Bewegung, die die Vision einer besseren Zukunft für alle an die Stelle der Bösartigkeit und der Spaltung setzt; Eine Bewegung, die die Privilegien der Konzerne und Eliten in Frage stellt und eine gerechte Gesellschaft erkämpft; Eine Bewegung, die einen (selbst-)zerstörerischen Kapitalismus überwindet, um eine Gesellschaft der Gleichheit und der Demokratie zu verwirklichen; Eine Bewegung, die sich für ihre Sache selbst begeistert, um auch andere zu begeistern.

Diese Veränderung setzt zweierlei voraus: Eine klare sozialdemokratische Programmatik, die sich nicht an die rechten Debatten anbiedert, sondern ihre eigene Vision, ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Stolz hat. Und eine Öffnung und Demokratisierung unserer Partei, die den einfachen Mitgliedern, den AktivistInnen und Gruppen an der Basis mehr Mitbestimmung und eine echte Mitgestaltung der politischen Verhältnisse ermöglicht. Machen wir was!

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